Rockin' in the free world
von Frank Lenggenhager
Die Popkomm 2006 hat es gezeigt: Die Musikbranche macht sich endlich auf den Weg, die digitale Welt zu erobern. Nachdem in den vergangenen Jahren die Umsätze beim Tonträgerverkauf ständig schrumpften, suchen die Plattenfirmen nun ihr Heil im digitalen Vertrieb. Überall öffnen neue Download-Portale ihre Türen, digitale Vertriebskanäle schiessen wie Pilze aus dem Boden.
Für Überraschung hatte unlängst Branchenführer Universal gesorgt. Die Plattenfirma will zukünftig ihre Musik kostenlos übers Internet verteilen und kurbelt so den herrschenden Konkurrenzkampf und den damit verbundenen Preiszerfall kräftig an. Der nimmt derweilen immer dramatischere Formen an. Im benachbarten Deutschland waren letztes Frühjahr aktuelle Alben von Depeche Mode und Coldplay für unter 7 Franken zu kaufen. Die Angebote dienten dabei lediglich als Frequenzbringer für grosse Handelsketten wie MediaMarkt und Saturn, um möglichst viele Kunden ins Geschäft zu locken. Ein Ende des Preiszerfalls ist bislang nicht in Sicht, im Gegenteil. Mit SpiralFrog läutet Universal die nächste Runde ein. Bereits im Dezember will das Majorlabel unter diesem Namen eine neue Onlineplattform für Musik starten, wo man für den Download von MP3s nicht zu zahlen braucht. Stattdessen müssen sich Nutzer von SpiralFrog registrieren und vor dem Download eines jeden einzelnen Titels einen 90-sekündigen Werbespot erdulden. Über den Verkauf dieser Werbung sollen die Kosten für Promotion, Marketing und die Rechte der Künstler bezahlt werden. Kritiker bemängeln, dass das Angebot alles andere als kundenfreundlich sei. Einmal pro Monat muss der Nutzer zur SpiralFrog-Homepage zurückkehren, sonst werden dessen Songs gesperrt. Die einzelnen Stücke können zudem weder auf einen iPod geladen noch auf CDs gebrannt werden und nach 6 Monaten verfallen die Songs endgültig und können nicht mehr genutzt werden. Nichtsdestotrotz haben bereits weitere Plattenfirmen ihr Interesse an SpiralFrog bekundet.
Nicht jeder Künstler dürfte von der Idee begeistert sein, dass seine Musik kostenlos abgegeben wird. Man darf deshalb schon gespannt sein auf die Reaktion von Bands wie Metallica, die sich jahrelang als erbitterte Gegner von Downloadbörsen jeder Art gezeigt haben. Sie fürchten nicht ganz zu Unrecht, dass mit dem Gratisangebot letztlich aus zahlungskräftigen Käufern Gratis-Downloader gemacht werden. Es stellt sich hier die grundsätzliche Frage, ob das Verschenken von Musik der richtige Weg aus der Krise oder bloss eine hilflose Panikreaktion darstellt, die symptomatisch für die gesamte Musikbranche ist: Anstatt sich um die Käufer von Musik zu kümmern, scheint die Musikindustrie eher auf die Benutzer illegaler Tauschbörsen zu konzentrieren. Gut möglich also, dass der Schuss letztlich nach hinten losgeht, denn wie sagt schon das Sprichwort: Was nichts kostet, ist nichts wert.
Frank Lenggenhager ist Mitgründer und Geschäftsführer der
Lautstark Music GmbH.